Als Fredy ging und Laura kam

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Das Restaurant Speck in Aarau ist eine Institution, rund 40 Jahre lang geprägt von der Familie Speck. Als sich Wirt Fredy Speck 2018 zur Ruhe setzt, geht sein Lokal in neue Hände über. «Messer & Gabel» hat sich mit der neuen Wirtin und dem ehemaligen Wirt über die Herausforderungen und Freuden ihrer erfolgreichen Betriebsübergabe unterhalten.

Fragt man den ehemaligen «Speck»-Wirt Fredy Speck, was der «Speck» heute ist, ist er voll des Lobes: «Heute ist der ‹Speck› neu und modern, aber immer noch ganz in meinem Sinn.» Fragt man die neue «Speck»-Wirtin Laura Peter, was der «Speck» früher war, kommt sie ins Schwärmen: «Der ‹Speck› ist für mich mit wunderschönen Kindheitserinnerungen verbunden. Im ‹Speck› war es immer ehrlich, einfach und wohlig. Es war ein sicherer Wert und man fühlte sich immer willkommen und umsorgt.»

Der Alte

Damals verkehrte Laura Peter als Kind und Jugendliche noch mit ihren Eltern im «Speck», und Fredy Speck war der Chef. Er stand in der Küche, seine Frau machte den Service. In der Gaststube verkehrte ganz Aarau – vom Regierungsrat über den Künstler bis zum einfachen Büezer. Was damals im «Speck» auf den Teller kam, gilt heute als «gutbürgerliche Küche». Fredy Speck hatte sie alle auf der Karte, die Klassiker der Schweizer Küche alter Schule: Entrecôte, Gulasch, Cordon bleu, Geschnetzeltes, Leberli, Schnitzel, Kutteln und vieles mehr. Im Zentrum stand, wie damals üblich, das Fleisch. Und hier konnte Fredy Speck aus dem Vollen schöpfen, denn er hatte die Metzgerei – sein Bruder führte sie – gleich im Haus.

Der «Speck» ist Familiensache

«Mit 70 mache ich Schluss», das hat Fredy Speck schon immer gewusst. Nach 41 Jahren war es 2018 schliesslich so weit. Gemeinsam mit seiner Nichte und seinem Neffen traf Fredy Speck rechtzeitig die nötigen Vorkehrungen für seinen Schritt in den Ruhestand. Der «Speck», so viel ist klar, sollte in der Familie bleiben, auch wenn innerhalb der Familie niemand das Lokal übernehmen wollte. Klar war zu diesem Zeitpunkt lediglich noch: «Auf keinen Fall sollte in diesen Räumen ein weiteres Fast-Food-Lokal entstehen», erzählt Christine Speck, die Nichte des ehemaligen Wirtes.

Die Neue

Und so war es für beide Parteien ein Glücksfall, dass auch Gastronomin Laura Peter genau in dieser Zeit nach einem neuen Lokal suchte. Seit vielen Jahren wirtete die Quereinsteigerin bereits in Aarau. «Über einen befreundeten Gastronomen habe ich erfahren, dass Fredy aufhört. Und mir war klar, dass ich mich unbedingt bei den Specks melden muss», erzählt sie.

Gesagt, getan. Ein Jahr später ist Laura Peter Pächterin und neue Wirtin im «Speck». Sie hat genau verstanden, was der «Speck» der Besitzerfamilie bedeutet und was das Restaurant bisher ausgemacht hat. «Ihre Pläne, das Lokal und die Karte sanft aufzufrischen, waren ganz in unserem Sinn», erinnert sich Christine Speck. «Zudem ist Laura Peter in Aarau keine Unbekannte, sie ist in der Stadt verwurzelt und eine erfahrene Gastronomin.» Dieses Gesamtpaket gab schliesslich den Ausschlag, dass die Specks Laura Peter den Zuschlag gaben.

Der «Speck» heute

Zum Einstand verpasste Laura Peter ihrem «Speck» eine optische und kulinarische Frischekur: «Neu und doch nicht neu. Traditionell, aber nicht konservativ. So ist der ‹Speck› heute.» Und so gibt es auf der Karte zeitgemäss Bodenständiges, mediterran Angehauchtes, Vegetarisches und manchmal auch Ausgefallenes. Immer stehen auch drei oder vier Gerichte unter dem Titel «Retrospecktive» auf dem Menu: «Diese Gerichte sind eine Hommage an die alten Zeiten und die Küche von Fredy Speck. Wir lassen uns jeweils von Fredys alten Karten inspirieren und erlauben uns, die Klassiker von damals in neuem Gewand zu präsentieren», so Laura Peter.

Loslassen und Grenzen setzen

Je länger man mit Laura Peter und Fredy Speck spricht, desto mehr bekommt man den Eindruck, dass die Übergabe des «Speck» vorbildlich und reibungslos verlaufen ist. Gefragt nach Tipps, setzen beide vor allem auf der emotionalen Ebene an: «Mir war von Anfang an klar, dass ich es als die Neue im ‹Speck› niemals allen recht machen kann. Da muss ich ein dickes Fell haben, um mich abzugrenzen und zu 100% meinen neuen Weg zu gehen.»

Fredy Speck hingegen betont, wie wichtig es ist, sich rechtzeitig mit dem Schritt in den Ruhestand zu befassen: «Wir konnten ohne Druck nach der besten Lösung für den Betrieb und für uns als Familie suchen. Und ich persönlich hatte Zeit, mich auf diesen Moment einzustellen. Als es dann so weit war, konnte ich ohne Probleme loslassen.» Seine Rolle als Wirt hat Fredy Speck voll und ganz an seine Nachfolgerin abgetreten. Wahrscheinlich gerade darum ist er auch heute noch immer gern gesehen im «Speck»: «Fredy kümmert sich um Hauswartarbeiten, feiert seine Familienfeste hier. Und ja, Fredy besitzt auch immer noch den Schlüssel zum Restaurant», lacht Wirtin Laura Peter.

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RetroSPECKtive

Die Gratwanderung zwischen früher und heute meistert man im «Speck» kreativ. So erinnern zum Beispiel unter dem Titel «Retrospecktive» diverse Gerichte an die Küche von damals.

Früher: Rindstatar à la Fredy Speck

1944 eröffnet die Familie «Speck» ihre Metzgerei am Zollrain 10 in der Aarauer Altstadt. Wie damals oft üblich, gehört zur Metzgerei auch noch ein Restaurant. Denn schliesslich ist man als Metzgerfamilie an der Quelle. Auch in Fredy Specks Küche dreht sich alles ums Fleisch. Seine Leberli – sowohl vom Schwein als auch vom Kalb – sind berühmt. Und für sein Tatar kommt man von weit her.

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Auch im Ruhestand macht Fredy Speck sein Tatar noch ab und zu. Es besteht aus Rindshuft, die durch den Wolf gelassen, mit Cognac und einer eigenen Saucenmischung abgeschmeckt wird. Die Zutatenliste für diese berühmte Tatar-Würze sei so umfangreich – er könne das gar nicht alles aufzählen, meint Fredy Speck. Wir denken eher: Das Saucenrezept ist auch heute noch ein gut gehütetes Familiengeheimnis.

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Heute: Carne cruda vom Kalb

Das meiste Fleisch, das im «Speck» auf den Teller kommt, stammt auch heute noch von der Metzgerei Speck. Nichte und Neffe von Fredy Speck führen diesen Betrieb mittlerweile in dritter Generation. Noch heute setzt man dabei auf den Direkteinkauf in der Region und auf Fleisch aus eigener Schlachtung. Und auch wenn sich heute Metzgerei und Restaurant nicht mehr im gleichen Haus befinden, die Zusammenarbeit ist wichtig.

«Wir bestellen zwar längst nicht mehr so viel Fleisch wie Fredy früher», erzählt Laura Peter. «Die Metzgerei ist aber immer noch ein wichtiger Partner. Die Mitarbeitenden legen uns zum Beispiel Stücke zur Seite, von denen sie denken, dass sie gut in den «Speck» passen. Oder wir bekommen immer wieder Inputs für neue Stücke – Special Cuts zum Beispiel.» Aus einem solchen entsteht denn auch das Tatar, das in Hommage an früher auf der Karte steht. Aus der Bavette vom Kalb entsteht ein zeitgemäss minimalistisches und auf das Produkt fokussiertes Tatar. Dafür wird das Fleisch von Hand grob geschnitten und nur mit etwas Olivenöl, Parmesanhobeln, Salz und Zitrone abgeschmeckt.

Das sagt der Experte

Gut beraten

Bei der Übergabe eines Betriebes an eine Nachfolgepartei gibt es einiges zu beachten. Vieles davon ist administrativer Art. Aber auch die Emotionen darf man nicht vergessen. Das weiss auch Magnasch Joos von der Consulting-Firma Suited&Booted.

Magnasch Joos

Magnasch Joos, Ihre Firma bietet unter anderem Hilfe bei Nachfolgregelungen. Wer ist Ihre Kundschaft?

Das können Gastronominnen oder Gastronomen sein, die pachten und aus einem Vertrag aussteigen oder die Location weitergeben wollen. Aber auch Menschen, die Gastro-Immobilien besitzen und diese neu- oder weitervermieten wollen.

Wie kann man sich bei Nachfolgeprozessen von Ihnen unterstützen lassen?

Wir helfen in diversen Bereichen – je nach Auftrag und Bedürfnis. Von der Beratung in finanziellen und vertraglichen Belangen über die praktische Unterstützung beim Aufarbeiten lückenhafter Dokumentationen, bei der Bewertung von Liegenschaften, der Suche von Kaufinteressierten oder Nachmietenden, Vertragsverhandlungen, Fragen im HR-Bereich bis hin zur Mediation bei komplexen Konstellationen.

Wie laufen solche Übergaben in der Regel ab?

Begleiten wir den ganzen Prozess, bewerten wir als Erstes den Betrieb. Hier ist wichtig, dass alles ehrlich auf den Tisch gelegt wird. Dazu gehören eine Bilanz- und Erfolgsrechnung, eine sauber geführte Inventarliste, ein aktueller Planstand, eine Übersicht über laufende Verträge, Vereinbarungen, jegliche Abmachungen mit Liefer- und Partnerfirmen sowie eine Übersicht über getätigte Investitionen und Anschaffungen.

Neben den materiellen sind auch immaterielle Werte Teil einer Übergabe. Das Image der Firma, die Marke oder auch eine grosse Stammkundschaft können als immaterielle Werte zum Übernahmepreis addiert werden. Dieser deckt sich übrigens selten mit den Vorstellungen der Personen, die den Betrieb abgeben. Viele möchten ihre Pension sichern und überschätzen den Wert aufgrund der emotionalen Bindung zum Betrieb. In solchen Fällen müssen wir ihnen dabei helfen, sich mit der Realität abzufinden.

Gibt es so etwas wie einen idealen Plan für die Nachfolgeregelung?

Den gibt es theoretisch schon, nur geht er meistens nicht ganz auf. Denn der Faktor Mensch ist unberechenbar, der Markt ist dynamisch und jedes Objekt hat seine Eigenheiten. Grundsätzlich ist es wichtig, genügend Zeit einzurechnen. Ein Jahr vom Zeitpunkt des Entscheides bis zum Vertrag ist ein guter Richtwert. Zudem sollte man sich frühzeitig mit dem Ablöseprozess beschäftigen und die eigenen Vorstellungen offen kommunizieren. Was erfahrungsgemäss immer für Schwierigkeiten sorgt, ist, wenn die abtretende Partei nicht loslassen kann. Auch dieses Thema sollte man als Kauf- oder Pachtinteressierte stets proaktiv ansprechen.

Im Falle des «Speck» in Aarau hat die alteingesessene Besitzerfamilie ihr Lokal ausserhalb der Familie verpachtet. Wie häufig ist diese Konstellation?

Dieses Szenario ist sehr häufig und oft auch weniger kompliziert. Es ist meist einfacher, wenn ein Betrieb nicht innerhalb der Familie weitergegeben wird, da dies emotionsloser abläuft. Sobald der Familiengroove spürbar wird, wird es heikel. Da kommen oft Themen zur Sprache, die gar nichts mit dem Verkauf an sich zu tun haben. In so einem Fall gehört auch immer wieder Mediation zu unseren Aufgaben.

7 Tipps für Ihre Nachfolgeregelung

Vollständige und korrekte Unterlagen sind das A und O. Je besser der Betrieb dokumentiert ist, desto besser und reibungsloser läuft der Übergabeprozess.

Profis helfen dabei, Ordnung zu schaffen und den Überblick zu behalten. Dabei denken sie auch an die vermeintlich kleinen Dinge. Wird es emotional, können Profis neutral vermitteln.

Spüren potenzielle Nachfolgeparteien, dass offen und ehrlich kommuniziert wird, gibt dies eine gute, vertrauensvolle Basis für das Geschäft.

Die Mitarbeitenden müssen so früh wie möglich und persönlich über die geplante Übergabe informiert werden. Je nach Grösse des Betriebs muss man sich mit Massenentlassungsthemen oder Sozialprogrammen auseinandersetzen.

Man sollte damit rechnen, dass der Wunschpreis für den Betrieb nicht erreicht wird.

Ein Übergabeprozess kann sehr schnell gehen, aber schnell auch mal anderthalb Jahre dauern.

Ist die Familie involviert, sollte frühzeitig offen mit allen Anspruchsgruppen kommuniziert werden.