Was heute Special Cut genannt wird, hiess früher einfach «Metzgerstück». Das waren schmackhafte Fleischstücke, von denen man scherzhaft sagte, dass sie der Metzger am liebsten für sich selber zur Seite lege. Bis in die 70er-Jahre fand man diese Kurzbratstücke ganz selbstverständlich in den Metzgereien. Heute dienen sie mehrheitlich als Wurstfleisch oder Ragout.
Was ist geschehen? Im Zuge des Wirtschaftsbooms der 80er-Jahre konnten es sich Herr und Frau Schweizer leisten, vermehrt Edelstücke zu essen. Die Fleischvorlieben änderten sich. Alternative Stücke und auch das Wissen um ihre Herstellung gerieten etwas in Vergessenheit. Dank dem «Nose to Tail»-Trend und Bemühungen für einen bewussteren Umgang mit Fleisch erleben diese vergessenen Fleischzuschnitte heute ein wohlverdientes Revival.
Fleisch vom Feinsten
Edelstücke sind wegen ihrer Textur und des diskreten Geschmacks besonders begehrt. Sie stammen fast alle aus dem Hinterviertel des Tiers. Dort sitzen Muskeln, die weniger beansprucht werden, und darum ist das Fleisch feinfaserig und zart.
Special Cuts hingegen werden aus dem Bauch, der Schulter und der Brust geschnitten. Diese Muskeln werden sehr stark belastet. Durch die höhere Belastung entstehen dicke Muskelfaserpakete. Das Fleisch erhält eine gröbere Struktur und dadurch mehr Biss und Charakter. Und das ist es, was die Fans von Special Cuts so schätzen: Geschmack und Textur.
Und dank den richtigen Zuschnitten werden aus ehemaligen Schmorstücken perfekte Kurzbratstücke. Man schneidet sie gegen die Faser und entfernt Sehnen. Das macht dieses kräftigere Fleisch einfacher zu kauen und somit zarter. Special Cuts sind übrigens auch attraktiv fürs Portemonnaie, denn im Vergleich zu Edelstücken sind sie zum Teil um einiges günstiger.
Second Cuts – erste Wahl
Special Cuts stammen aus Stücken, die in der Schweiz weniger beliebt sind, weil man sie normalerweise lange garen muss. Solche Stücke gelten als zweite Wahl. Darum wird manchmal auch der Ausdruck «Second Cuts» gebraucht, wenn es um Special Cuts geht. Da dieses Fleisch jedoch keineswegs zweitklassig ist, bevorzugen wir die Bezeichnung «Special Cuts». Dieser Begriff lässt den Gedanken von Fleisch zweiter Klasse gar nicht erst aufkommen und betont den kulinarischen Wert dieser Stücke.
Alte Schnitte, neue Namen
Etwas gewöhnungsbedürftig sind die ausgefallenen Namen vieler Special Cuts. Da gibt es englische Bezeichnungen wie das Flank Steak oder Flat Iron Steak, aber auch Ausdrücke wie Babettli, Lagartos oder Araignée. An diesen Namen – von Englisch über Deutsch bis zu Französisch und Spanisch – erkennt man, dass Special Cuts recht international sind.
Und tatsächlich sind viele dieser Cuts traditionelle Fleischzuschnitte aus anderen Fleischkulturen. Denn jedes Land hat eigene Tierrassen, Fleischvorlieben, Kochstile und Zerlegtraditionen. So verdanken wir der Barbecue-Kultur der USA Steakzuschnitte wie das Flat Iron Steak oder das Flank Steak. Von der Iberischen Halbinsel kommen spezielle Stücke vom Schwein mit Namen wie Secreto, Presa oder Pluma. Aber auch in der Schweiz waren Schnitte mit klingenden Namen wie Nierenzapfen und Schlossbeindeckel früher an der Tagesordnung.
Hier bekommst du Special Cuts
Mittlerweile gibt es Metzgereien, die sich auf Nose to Tail und Special Cuts spezialisiert haben. In der Dorfmetzg oder an der Fleischtheke von Detailhändlern findet man die Zuschnitte, allerdings meist nur auf Vorbestellung. Lass dich von den Profis auch gleich zur Zubereitung der einzelnen Stücke beraten.
So geniesst du Special Cuts
Gut gelagert
Profis betonen, dass das Fleisch gut gelagert sein muss, wenn es als Special Cut kurzgebraten werden soll. Denn während der Reifung wird das Fleisch nicht nur geschmacksvoller, sondern auch zarter. Das hat mit Enzymen zu tun, die in dieser Phase die Proteinstränge im Fleisch lockern. Special Cuts sollten mindestens 3–4 Wochen lang reifen, bevor sie in den Verkauf kommen.
Heiss angebraten
Die Special Cuts eignen sich vor allem zum Kurzbraten. Wir empfehlen für die meisten Stücke die Garstufe «à point». Denn erst wenn das Fleisch eine gewisse Temperatur erreicht hat, schmilzt das Kollagen im Bindegewebe und das Fleisch wird schön zart.
Ruhen lassen
Es ist wichtig, das Fleisch nach dem Braten einige Minuten ruhen zu lassen. Denn die kräftigen Muskelstränge ziehen sich unter der Hitze zusammen. Lässt du sie ruhen, entspannen sie sich und das Fleisch wird richtig saftig. Damit es nicht auskühlt, kannst du es mit Alufolie bedecken – achte darauf, dass der Dampf dabei abziehen kann, sonst weicht die Kruste auf.
Quer zur Faser geschnitten
Da alle Special Cuts eher langfaserig sind, schneidest du die Stücke am besten immer quer zur Faser auf. So ist das Fleisch automatisch zarter.
Pur geniessen
Kräftiger, purer Fleischgeschmack – das ist es, was Special Cuts auszeichnet. Geniesse diesen Geschmack am besten ohne Sauce, nur mit ein wenig grobem Salz und etwas Pfeffer.
Die wichtigsten Special Cuts vom Rind
Das Flank Steak stammt aus der Bauchdecke des Rinds. Es besteht aus Muskelfasern, die sich einmal längs von einem Ende des Muskels zum andern ziehen. Gut gelagert, eignet es sich perfekt für den Grill. Unbedingt am Stück braten oder grillieren und dabei das Fett an der Oberfläche nicht entfernen. Beim Garen ziehen sich die Muskelfasern unter der Hitze zusammen und das Fleisch wird etwas dicker.
Das Tri-Tip, auch Babettli, Bürgermeister- oder weisses Stück genannt, befindet sich im Stotzen des Rindes. Das helle und zarte Stück enthält keine Sehnen und nur wenig Fett. Es ist meist schön marmoriert und damit perfekt für den Grill – als Steaks oder auch am Stück. Aufpassen beim Aufschneiden: Das Tri-Tip besteht aus zwei Muskeln, die nicht gleich verlaufen. Immer quer zur Faser schneiden!
Flat Iron Steaks stammen aus dem Schulterspitz. Sie haben sehr wenig Fett und einen dezenten Geschmack. Aufgepasst: Mitten durch den Schulterspitz verläuft eine dicke Sehne. Bleibt sie drin, muss das Fleisch geschmort werden. Wird die Sehne entfernt, entstehen zwei ca. 2 cm dicke Steaks, perfekt zum Kurzbraten.
Das Hanging Tender oder Onglet ist ein Stück aus dem Zwerchfell und sitzt gleich neben der Leber. In deiner Metzgerei kennt man es vielleicht auch unter dem Begriff «Nierenzapfen». Diesen Cut geniesst du am besten «bleu» oder höchstens «saignant».
Das Flap Steak wird aus dem Lempen (auch "Bauchlappen" genannt) des Rindes über dem Flank Steak geschnitten. Das Fleisch ist relativ grobfaserig und fest im Biss, dafür aber wunderbar marmoriert und sehr geschmacksintensiv. Gut gelagert, schmeckt es am besten vom Grill. Das Fleisch des Flap Steaks karamellisiert gut, darum kannst du es vor dem Grillieren in Portionen schneiden, um möglichst viel Oberfläche zu haben. Frisch schmeckt das Flap Steak auch als Tatar.
Der hintere Teil der Rindsschulter, auch flaches Filet oder teres major genannt, steht dem echten Filet in Sachen Zartheit und Geschmack in nichts nach. Medaillons schneiden, Zitrone und Thymian drauf, und ab auf den Grill.
Als Outside Skirt bezeichnet man das äussere Leistenfleisch. Die Steaks bestehen aus reinem Muskelfleisch und sind von Fett umgeben und durchwachsen. Darum sind sie sehr einfach zuzubereiten und bleiben schön saftig. Oben auf den Steaks befindet sich eine feste Haut aus Bindegewebe. Diese solltest du in der Metzgerei unbedingt entfernen lassen, sonst wölbt sich das Fleisch in der Pfanne.
Die wichtigsten Special Cuts vom Schwein
Beim Rind ist das der Special Cut schlechthin: Das Flanksteak. Es spricht also nichts dagegen, auch das Stück vom Schwein als Special Cut statt als Wurstfleisch zu verwenden. Das Schweine-Flank ist zarter als das vom Rind.
Auch Babettli oder weisses Stück genannt, erinnert dieser flache dreieckige Muskel an eine Haifischflosse. Aus dem inneren Bereich der Hüfte geschnitten, ist das Fleisch sehr kurzfaserig, fein marmoriert und somit wunderbar zart. Es eignet sich perfekt zum Kurzbraten.
Dieser Schnitt ist besser bekannt unter seinem spanischen Namen: «Secreto» – Geheimnis. Geheim darum, weil sich dieses Stück zwischen Rücken und Rückenspeck des Schweins versteckt. Bei der klassischen Schweizer Zerlegung kann das Stück ohne Einschränkung entnommen werden. Dank der starken Marmorierung ist das Secreto extrem aromatisch und eignet sich besonders zum Kurzbraten und Grillieren.
Oberhalb des Filets verläuft ein separater, dünner Fleischstrang. Er ist genauso zart wie das Filet, endet aber oft als Wurstfleisch. Anders in Portugal, dort landet der Fleischstreifen als «Lagarto» – Eidechse – auf dem Grill.
Versteckt unter dem Schultergelenk, liegt ein rundlicher ovaler Muskel. Beim Schwein wird er nicht länger als etwa 8 cm. Dressiert man das Stück heraus, hat es die Form einer Maus. Das Müsli ist ein wunderbar gelatinöses Schmorstückli. Normalerweise wandert es ins Wurstfleisch.
Dieses Stück wird auch Araignée, Spider oder Fledermaus genannt. Das hat mit seiner Form zu tun. Es stammt aus dem Innern des Stotzens und ist kräftig marmoriert, das macht es saftig und aromatisch. Der Schlossbeindeckel wird sowieso ausgelöst. Es ist also ohne weiteren Aufwand in der Zerlegung vorhanden. Kurz: Es ist das perfekte Stück für den Grill.
Dieser Zuschnitt ist auch bekannt als Costine. Der Schweinsbrustspitz stammt wie die Spare Ribs vom Brustkorb, jedoch von ganz vorn. Im Vergleich zu Spare Ribs haben die Schweinsbrustspitzen mehr Fleisch und Fett am Knochen. Du kannst sie am Stück oder als einzelne Rippen zubereiten. Besonders fein werden sie, wenn du sie langsam im Smoker garst.