Ausgezeichnet

Kleine Rinder, grosses Fleisch

Kuh auf Weide mit einem Mann
Vom Filmemacher zum Landwirt: Florian Schweer kennt Hofgeschichten wie diese von beiden Seiten. Uns hat er erzählt, warum er seine Tiere am liebsten direkt und ganz vermarktet und welche Rolle die Gastronomie dabei spielt.

Egal, ob Berkshire- und Wollschweine, Hinterwälder Rinder, Appenzeller Spitzhauben oder Bündner Strahlengeissen – wenn Florian Schweer ruft, kommen alle angerannt und angehüpft. Auf seinem Hof Agriculture Outremont hoch über St-Ursanne leben die Tiere so, wie es ihrer Natur entspricht: im Herdenverband, von hofeigenem Gras und Quellwasser, so oft wie möglich an der frischen Luft, ohne Klimaanlage und Heizung, stressfrei und nie am Leistungslimit. Die Rinder und Geissen fühlen sich auf den kräuterreichen Bergweiden, die zur Hälfte Biodiversitätsförderflächen sind, ganz besonders zu Hause und kümmern sich nebenbei um die Landschaftspflege. «Möglichst standortgerechte Landwirtschaft zu betreiben, war bei der Hofübernahme vor vier Jahren unser wichtigster Antrieb. Es war darum klar, dass wir kleine Kühe halten wollen. Die ProSpecieRara- und Slow-Food Arche-Rasse Hinterwälder Rind ist mit ihrem leichten Gewicht und den straffen Sehnen ein perfekter Match für unsere Hang- und Extensivlagen. Schwerere Tiere würden Trittschäden hinterlassen und bei nassem Wetter ständig abrutschen.»

Gemeinsam bestellen, gemeinsam profitieren

Ebenso gesetzt war der Wunsch nach möglichst viel Direktvermarktung, «um die Wertschöpfung auf dem Hof zu behalten», so der 36-Jährige. Der gut bestückte Hofladen ist dabei das Zückerchen. Den Hauptumsatz generieren Florian und Nicole Schweer mit dem Eierabo und den Mischpaketen. Gegen 25 Franken Liefergebühr wird das Fleisch in die ganze Schweiz geliefert, auf eigens dafür zusammengestellten Touren, die derzeit unter anderem die Regionen Bern, Basel, Genf/Lausanne und Luzern/Aargau umfassen. «Wenn wir für eine Region genug Bestellungen zusammen haben, fahren wir los, bei Einzelbestellungen aus anderen Regionen verschicken wir das Paket per Post.» In gewissen Regionen haben sich Fangruppen gebildet, die grosse Bestellungen aufgeben und die Mischpakete unter sich aufteilen. «Solche Bestellungen sind für uns ein Glücksfall. Können wir ein Paket à 25 Kilo liefern, lohnt sich die Tour ab vier Bestellungen. Bei fünf Kilo pro Bestellung braucht es 20.» 

Preisvorteil dank ganzem Tier

Aus dem gleichen Grund freut sich Florian Schweer über Gastrobetriebe, die ihm ganze Tiere abkaufen. «Abgesehen davon, dass am Ende unserer Philosophie eigentlich nur Nose to Tail stehen kann, sind ganze Tiere für alle Beteiligten klar die lohnenswerteste Variante: Ich habe weniger Aufwand, weil ich das Fleisch nicht portionieren muss, die Restaurantbetreibenden haben weniger Auslagen, weil sie das ganze Tier zum Grundpreis kriegen, fürs Filet also gleich viel bezahlen wie für die Special Cuts.» Kollaborationen wie jene mit dem Bieler Ecluse kommen für Schweer darum einem Jackpot gleich. «Von vier Schweinen aufs Mal bis zu einem 30-monatigen Rind – in Argentinien übrigens der Normalfall, 10-monatige Tiere gelten dort als Kälber – hat uns Sandro schon alles abgenommen.» Nachmachen erwünscht: www.outremont.ch

Abgepacktes Fleisch in Händen

Die Gastrostimme: Ecluse, Biel

Kollaborationen wie jene mit Agriculture Outremont sind genau unser Ding. Wir teilen den ganzheitlichen Blick, die Vorliebe fürs Verkaufen und Verarbeiten ganzer Tiere und den Mut, neue Wege zu gehen. Austausch und Wissenstransfer laufen in beide Richtungen und mit viel Neugierde. Was ist für die Gastronomie wichtig, was kann die Landwirtschaft dazu beitragen? Höfe, die solchen Fragen offen begegnen, sind ein rares Gut. Wir sind darum sehr froh, ist Florian damals auf uns zugekommen.

Sandro Bianchin, Inhaber Restaurants Ecluse, Lokal und Vagabund, Biel