Fleischkunde
Business mit dem Platzhirsch
Rafael Hänni und Michael Früh erwarten uns am oberen Dorfrand von Vitznau. Hinter uns der Vierwaldstättersee, vor uns die Felswände der Rigi. Hänni hat das Telefon am Ohr. «Er bestellt oben das Bähnli», informiert uns Früh. Und da kommt es auch schon durch den Nebel: Ein blau-gelbes Gondeli, das uns zu Mischa Hofer und zu den Rindern bringen wird.
Zebus im Nebel – Fleischhändler und Landwirt Mischa Hofer züchtet Zwergzebus und Aubrac-Rinder, deren Fleisch Michael Früh und Rafael Hänni im Werkhof in Bern verarbeiten.
Auch die beiden Köche besteigen die Seilbahn zum Hof ihres Fleischlieferanten zum ersten Mal. Hänni erzählt: «Ich arbeite zwar schon lange mit Mischa Hofer zusammen, er wohnt aber erst seit Kurzem hier.» Angefangen hat die Geschäftsbeziehung und Freundschaft von Hänni und Hofer in der Region Bern. «Mischa ist Jäger und hat mich unter anderem mit Berner Hirsch versorgt, als ich noch im Schloss Oberhofen kochte», erinnert sich Hänni.
Fleischlieferant des Vertrauens
Mittlerweile führt Rafael Hänni gemeinsam mit Michael Früh und Fabienne Lüdi das Restaurant Werkhof in Bern. Mischa Hofer ist immer noch ihr Fleischlieferant – der einzige. Neben Wild liefert er heute auch Fleisch verschiedener Nutztierrassen. Denn Hofer ist noch viel mehr als Jäger: Er ist gut vernetzter Händler von Fleisch kleiner Betriebe. Mit seiner Firma Platzhirsch Fleischspezialitäten GmbH beliefert er heute vor allem die Schweizer Gastronomie.
Seit Neustem ist Hofer auch gelernter Landwirt EFZ mit eigenem Biohof in Hinterbergen oberhalb von Vitznau. Und er ist einer von zwei Spezialisten, die in der Schweiz Hoftötungen vornehmen dürfen. In dieser Funktion ist er wöchentlich im ganzen Land unterwegs. «Mischa ist für uns ein Garant für bestes Fleisch aus tiergerechter Haltung. Auch für Mischa Hofer ist die Zusammenarbeit mit den Köchen vom Werkhof ein Glücksfall: «Die beiden sind interessiert an den Zusammenhängen, konsequent und bereit, etwas mehr Aufwand zu treiben.»
Aufwand, der sich lohnt
Der Werkhof bezieht aus Prinzip nur ganze oder halbe Tiere. Das ist für Hänni und Früh die nachhaltigste Art, mit Fleisch zu arbeiten. «Wir bekommen aufs Mal zwischen 30 und 150 Kilo Fleisch. Das reicht für etwa sechs Wochen», so Michael Früh. «Für diesen Zeitraum müssen wir grob planen und entscheiden, was wir einfrieren und was wir gleich verwenden.» Und Hänni fügt an: «Ich empfinde das als Privileg. Wir dürfen aus dem Vollen schöpfen und es wird garantiert nicht langweilig in der Küche.»
Momentan verarbeiten die beiden die letzten Stücke eines Zwergzebus von Hofers Tieren auf der Rigi. Zwei Burenziegen-Gitzi, ebenfalls von Hofers Hof, sind schon bestellt. Grundsätzlich halten sich die beiden Köche strikt daran, nie zu viel Fleisch im Haus zu haben – auch aus Platzgründen. In den kommenden Wochen werden darum vor allem Variationen des Ziegenfleisches zum Einsatz kommen. Dennoch lassen sie es sich während des Hofbesuchs auf der Rigi nicht nehmen, bereits zu besprechen, was Hofer ihnen als Nächstes liefern könnte. «Kalb», überlegt Hofer laut, und erzählt, dass er bald Tiere aus seiner Aubrac-Herde im Oberaargau schlachten werde, da sei ausnahmsweise ein Kalb dabei. Noch einigt man sich an diesem Tag auf der Rigi auf keinen Deal. Was der «Platzhirsch» schliesslich liefern wird, zeigt in ein paar Wochen das neue Werkhof-Menü.
Momentan verarbeiten Rafael Hänni und Michael Früh das gesamte Fleisch eines Zebus von der Rigi. Aus der Huft gibt es Tatar.