Ernährung

«Geiz ist nicht immer geil»

Metzgermeister Urs Marti
Metzgermeister Urs Marti über Trends am Grill, verantwortungsvollen Fleischkonsum - und weshalb er vegane Burger verkauft.

Kaum ein Lebensmittel weckt so viele Emotionen wie Fleisch und landet gleichzeitig bei weit über 90 Prozent der Bevölkerung regelmässig auf dem Teller. Wer sich dabei Fragen über den zeitgemässen Fleischkonsum stellt, erhält von Metzgermeister Urs Marti überraschende Antworten. Er führt vom zürcherischen Uster aus die Metzgerei Hotz, die seit über 140 Jahren Fleisch verkauft und drei Filialen betreibt.

Wie wir Lebensmittel konsumieren, wird in öffentlichen und sozialen Medien viel diskutiert. Bei Fleisch propagieren einige eine Reduktion oder gar den Verzicht. Stellen Sie in Ihren drei Verkaufsgeschäften diesbezüglich konkrete Veränderungen fest?

Der Fleischkonsum in der Schweiz ist stabil. Als Metzgerei sehen wir jedoch Tendenzen, bewusst ein, zwei Tage auf Fleisch zu verzichten. Dafür wird dann auf eine bessere Qualität gesetzt. Und es werden vermehrt Alternativen ohne Fleisch gesucht. Das findet man auch bei uns. 

Vegane Burger erwartet man nicht unbedingt in einer Metzgerei.

Man muss mit der Zeit gehen. Vielleicht gibt es in der Familie fleischlose Tage oder neuerdings eine oder einen Vegi. Dafür soll man nicht in zwei Läden gehen müssen. 

Welche Trends gibt es beim Fleisch?

Nose to Tail, sprich mehr verschiedene Stücke werden verarbeitet als die klassischen Edelstücke. Und jetzt im Sommer die Second Cuts, die sind auf dem Grill der Hit. Früher wurde daraus Geschnetzeltes gemacht, heute wollen vor allem Private auch Fleisch, das eher durchzogen ist. Und wir bieten auch kleinere Portionen an, da vermehrt gefragt ist, auf dem selben Teller verschiedene Stücke zu haben.

 

Die Metzgerei Hotz gibt es seit über 140 Jahren. Wie hat sich das Angebot in dieser Zeit verändert?

Heute wird viel mehr veredelt. Früher hatte es oft Fett und Knochen an den Stücken, heute wird leider alles weggeschnitten. Das Nose-to-Tail-Konzept ist zwar wie erwähnt da. Trotzdem gilt für die meisten: Wenn mit Fett, dann höchstens im Sommer auf dem Grill. Im Winter soll es schön mager sein.

Welches sind die häufigsten Fragen an der Theke, abgesehen von der Zubereitung und passenden Portionen pro Person?

Immer mehr wollen wissen: «Woher kommts?» Oder: «Ist es bio?». Nein, bei uns ist es nicht bio, dafür sind wir zu klein. Aber es kommt beispielsweise aus Volketswil, die Kühe können 365 Tage im Jahr raus, die Rinder leben in einer Herde mit der Mutter und dem Muni, kriegen gutes Futter und jeder kann vorbei und sich anschauen, wie die Tiere gehalten werden, denn wir kennen die Bauernfamilie persönlich. Und bei uns bringen die Bauern die Tiere selber ins Schlachthaus.

Bei Qualität und Preis gibt es beim Fleisch grosse Unterschiede. Das Ausland ist nahe und lockt mit günstigen Preisen. Wieso setzt Hotz auf Schweizer Fleisch aus der Region?

Aus Tradition und wegen der guten Qualität. Wir kennen unsere Bauern schon sehr lange und können mit eigenen Augen sehen, wie sie arbeiten. Und in der Schweiz haben wir das strengste Tierschutzgesetz, hier wird ein guter Job gemacht. Auch das zahlt sich in der hervorragenden Qualität aus. 

Trotzdem ist im Detailhandel der Preis ein permanentes Thema. Wie gelingt es Hotz über Generationen sich gegen grosse, auch ausländische Detaillisten, zu behaupten? 

Wir sind innovativ und gehen mit der Zeit. Ernst Hotz war immer offen für Neues, schaute sich um und probierte Dinge aus. Er war einer der ersten Metzger, die vor über 40 Jahren Catering angeboten hat. Und wir setzen auf die Weiterverarbeitung, haben neben klassischen Stücken eine grosse Vielfalt im Angebot. 

Welche Verantwortung sollten Metzgereien übernehmen?

Die Moral muss stimmen, denn wir haben eine Verantwortung gegenüber den Tieren. Sie müssen artgerecht gehalten werden, mit genug Platz und dem richtigen Futter. Wir haben die Verpflichtung, bei den Bauern vorbeizugehen und zu wissen, wie sie arbeiten. Die Beziehungen zu unseren Lieferanten pflegen wir seit jeher. Das kann man in der Schweiz tun und aus Überzeugung hinter den Produkten stehen. Im Ausland ist das für uns als kleiner Betrieb nicht möglich. Deshalb haben wir vor vier Jahren auch beim Geflügel ganz auf Schweizer Lieferanten umgestellt.

Was wünschen Sie sich von der Kundschaft punkto Verantwortung?

Sie sollen hinterfragen und sich bewusst entscheiden. Die Tiere müssen ein gutes Leben haben. Bei Güggeli ist das sehr kurz, nach 30 Tagen ist Schluss. Hatten sie in der Zeit gutes Futter, eine gute Haltung? Und ich bin überzeugt: Geiz ist nicht immer geil, Qualität soll etwas kosten.

Kaufen Sie selber Fleisch im Ausland ein?

Wenn ich im Ausland Ferien mache, dann ja, ansonsten nein. Ich arbeite in der Schweiz, beziehe einen Schweizer Lohn und es gibt auch preiswerte inländische Produkte, mit denen sich sehr gute Menüs kreieren lassen. 

Wie werden wir in zehn Jahren Fleisch konsumieren?

Wer einkauft, entscheidet über das Angebot. Deshalb wird Fleisch produziert, wie es die Kundschaft will. Die Leute wollen und können zunehmend weniger oft und gut kochen als früher. Es fehlt an Zeit oder Lust. Deshalb wird es mehr Fleisch geben, das sich sehr schnell zubereiten lässt. Sous-vides, Weckgläser oder neue Verpackungen: mit modernen Küchengeräten wird Fleisch immer öfter einfacher, schnell und perfekt zubereitet werden. Was sich bei uns nicht ändert: Wir setzen seit jeher auf die Qualität aus der Region und werden das auch in zehn Jahren tun. 

Fleischproduktion im Wandel

Vom Bauernhof bis zur Metzgerei: In der Schweiz ist die Produktion von Fleisch eine jahrhundertealte Tradition, die sich stetig weiterentwickelt. In den vergangenen Jahrzehnten markant verbessert hat sich der verantwortungsvolle Umgang mit den Tieren. Bei der Aufzucht wie beim Schlachten steht das Tierwohl im Zentrum. Dafür sorgt nicht nur das im internationalen Vergleich strenge Tierschutzgesetz, sondern auch diverse freiwillige Anstrengungen in der Produktion. Im Vergleich zum Ausland führend ist die Schweiz auch bei der Fütterung ohne genveränderter Nahrung, regionaler Produktion und kurzen Transportwegen der lebenden Tiere. Mit einem Marktanteil von über 80 Prozent trägt das  Schweizer Fleisch entscheidend zum verantwortungsvollen Fleischkonsum der Bevölkerung bei.