«Messer & Gabel»
Nachhaltig, ganzheitlich, ökonomisch
Zum Auftakt eine Trilogie vom Schwein – Schweinebauch, Schweinemasken-Taco und Chicharrones von der Schweinehaut. Laura und Sandro Bianchin sind mit ebenso viel Vergnügen wie Engagement bei der Nachhaltigkeitssache und gehen im Ecluse kaum Kompromisse ein.
Aus gutem Grund sind nachhaltige Restaurantkonzepte aktueller denn je. Die Gäste von heute wollen wissen, was sie essen, woher die Zutaten kommen und wer sie produziert, geerntet und zubereitet hat. Gleichzeitig steigt das Bewusstsein für die Wichtigkeit von saisonalen und regionalen Zutaten. Was Saison hat, ist an Vitaminen und Geschmack kaum zu überbieten. Was aus der Region stammt, reduziert Transportwege und -kosten sowie Verpackungsmüll und CO₂-Emissionen. Das Ecluse ist diesbezüglich ein Paradebeispiel und Vorzeigebetrieb. Alle Lebensmittel stammen aus einem Umkreis von 50 Kilometern. Kreislaufgastronomie lautet die Devise von Laura und Sandro Bianchin. Zeit also, mehr über ihr Konzept und ihre Arbeitsweise zu erfahren.
Saisonale Küche mit regionalen Produkten
Im Mai 2021 sind die beiden mit dem Ecluse den Beweis angetreten, dass sich auch grössere Betriebe nachhaltig führen lassen. Heute sind sie überzeugt, dass es sogar mit noch mehr Plätzen funktionieren würde. «Am wichtigsten ist, davon wegzukommen, dass immer alles verfügbar sein muss», so Laura. «Es gibt nun mal nicht endlos Egli im Bielersee oder Wild in der Region.» Dafür Bewusstsein und Verständnis zu schaffen, sieht sie als ihre Aufgabe. Der erste Schritt dazu ist, dass im Ecluse keine Speisekarte aufliegt. «Wie die Natur verändert sich manchmal auch unser Menü täglich», erklärt Sandro. «Da würde eine gedruckte Menükarte nur unnötig Papier und Zeit verschwenden.» Darum kann das Menü entweder per QR-Code oder auf der Schiefertafel angesehen werden – so sind Änderungen unkompliziert und ressourcenschonend machbar.
Der Ecluse-Kreislauf
Mit ihrem Konzept wollen Laura und Sandro die Region aufbauen, eine Community schaffen. «Was nur gelingen kann, wenn die Leute eingebunden werden, allen voran die Produzentinnen und Produzenten», ist Sandro überzeugt. Die Menschen hinter Obst und Gemüse, Fleisch und Fisch, Wein und Bier stehen im Ecluse darum im Mittelpunkt des Geschehens und bestimmen mit ihrer Ernte und ihrem Schaffen das Menü. Hier setzt sich der Ecluse-Kreislauf in Gang: Um Überproduktion zu vermeiden, reden Laura und Sandro bei der Anbauplanung mit und kommunizieren ihren Bedarf frühzeitig. «Die garantierte Abnahme erleichtert den Bauern die Arbeit und erlaubt ihnen gleichzeitig, zu experimentieren. Weil sie wissen, dass wir auch dafür zu haben sind und unser Menü jederzeit anpassen können.» Seinen Abschluss findet der Kreislauf nach dem Essen: Rüstabfälle werden im Garten des Restaurants kompostiert, und mit dem daraus entstehenden Humus werden die Hochbeete gedüngt.
Enge Partnerschaften, kurze Transportwege
Weitere wichtige Ecluse-Eckpfeiler: Lieferwege halten Laura und Sandro so kurz wie möglich, die Partnerschaften mit den Produzentinnen und Produzenten sind ausgewählt und eng. Beim Einkauf geht es darum nie nur um Warenbezug, sondern immer auch um Austausch. «Wir interessieren uns für alles rund um das Produkt: den Anbau, das Handwerk, den Charakter dieser Sorte oder jener Rasse.» Das macht die Geschichten aus, die sie später in die Gerichte einfliessen lassen und an den Tischen weitererzählen. Ein Bekenntnis zur Region, das von den Gästen sehr geschätzt wird. Ganz gleich, ob sie aus Biel oder von weit her kommen.
Ganzheitliche Verwertung des Tieres
Enge Partnerschaften mit nachhaltigen Produzenten bei gleichzeitiger Wirtschaftlichkeit prägen im Ecluse auch den Fleischeinkauf. «Im Sinne von ‹Nose to Tail› kaufen wir ganze Tiere und lassen diese von unserem Hausmetzger Cedric Junod zuschneiden», sagt Sandro. Dabei erhält Junod Unterstützung von den Ecluse-Lernenden. «Ein Deal, von dem wir doppelt profitieren: Unsere Jugendlichen lernen viel über die Produkte und das Handwerk, ausserdem rechnet uns Cedric ihre Arbeit an.» Die Win-win-Situation gilt auch für die Bauern: «Ganze Tiere verkaufen zu können, gibt ihnen Abnahmesicherheit. Zudem bestätigt unser ganzheitlicher Ansatz sie in ihrer artgerechten Tierhaltung. Geteilte Haltungen und Werte spielen bei unserer Art des Einkaufes eine grosse Rolle.» Das beginnt bereits bei der Wahl des Tieres. Dafür fährt Sandro auf den Hof und entscheidet sich zusammen mit dem Bauern für ein Tier. «Manchmal müssen wir geduldig sein. Nicht immer ist unser Wunschtier schon schlachtreif.» In diesem Fall zählt das Wort des Bauern. Sagt er, das Tier brauche noch einen Monat, warten Sandro und Cédric so lange. Nach der Schlachtung kommt das Fleisch nach La Neuveville zu Junod. Dieser lässt es abhängen, schneidet es zu und bereitet es für den Weitertransport nach Biel vor.
«Dabei können wir unsere Ideen sprudeln lassen», so Sandro. «Schulter mit oder ohne Knochen, grosse Stücke, kleine Stücke: Cédric und die Lernenden schneiden das Fleisch genau nach unseren Wünschen zu.» Hier sind klare Kommunikation und sorgfältiges Beschriften gefragt. «Beim ersten ganzen Tier haben wir viel Lehrgeld bezahlt.» Jetzt aber, da alles exakt durchgeplant ist und alle wissen, was zu tun ist, hat sich das Handling durch den Einkauf ganzer Tiere deutlich vereinfacht.
Authentisch und genussvoll
Der stete Austausch mit den Produzenten bringt noch weitere Vorteile. Neue Rassen wie das Wagyu-Simmentaler-Rind. «Crazy Fleisch», schwärmt Sandro. «Es vereint das Beste aus zwei Welten: das zart Schmelzende und Marmorierte des Wagyu mit der aromatischen Würze des Simmentalers.» Unabhängig von Rasse und Tierart gilt: Verwertet wird alles. Davon zeugen unter anderem Tacos aus Schweinskopf-Haut, zu Amuse-Bouches verarbeitete Schweinsohren und mit Mayo garnierte Rindslungen. Den gewagten Gerichten geht jeweils eine intensive Experimentier- und Testphase voraus. «Vieles über Fleischverarbeitung weiss ich von meinen Reisen in Mexiko», erzählt Sandro. «Das meiste aber ist Gefühlssache. Einfach machen und bloss keine Berührungsängste haben.» Bei der Lunge ging es vor allem darum, deren sehr bittere Note auszubalancieren. Schliesslich lautete die Lösung: lange in Weissweinessig auskochen, mit Linsenmehl panieren und frittieren. Eine Vorgehensweise, die das Küchenteam immer wieder neu durchspielt, mal mit Rind, mal mit Hirsch oder eben mit dem erwähnten Schwein. Hauptsache, es bleibt am Ende nichts vom Tier übrig. Zu finden sind derlei Kompositionen nicht im À-la-carte-Angebot, sondern im abendlichen Degustationsmenü. Und auch hier haben die Gäste die Wahl: «Das Serviceteam fragt immer, ob die Gäste vor oder nach dem jeweiligen Gang wissen wollen, was sie essen. Wir wollen unsere verrückten Ideen ja niemandem aufzwingen.»
Einmachen, fermentieren, experimentieren, überraschen
Nicht nur beim Fleisch setzen Laura und Sandro konsequent auf Regionalität. Zitronen und Olivenöl zum Beispiel sucht man in der Küche vergebens. Stattdessen stellen sie Säure mittels Fermentation aus Gemüse her und verwenden nur Öle aus hiesigen Gefilden. Eine weitere wichtige Komponente ist das Einmachen nach Grossmutter-Art: Damit wird der Sommer im Ecluse aufs ganze Jahr ausgedehnt. «Unsere Einmachgläser füllen einen ganzen Keller», veranschaulicht Sandro die Bedeutung des Konservierens. Praktischer Nebeneffekt: Jene Einmachschätze, die gerade in Gebrauch sind, dienen im Restaurant gleichzeitig als Deko. Räuchern, Beizen und Confieren gehören ebenfalls zum Tagesgeschäft und auch mit Kräuteraufgüssen, Crunches und Fett hantieren Sandro und sein Küchenteam regelmässig. «Abschmecken, mit verschiedenen Texturen und Säuren spielen, experimentieren: Das ist die Welt, die ich liebe», schwärmt er. «Damit verleihen wir unseren Gerichten den Ecluse-Twist, unsere Handschrift.» Im Hackbraten sieht das dann so aus: Für den Extrakick sorgen Edelfett vom Wagyu-Rind und altes Sauerteigbrot. Wenn die Zutaten stimmen, braucht es für ein gutes Gericht nicht viel, davon sind Sandro und Laura nach bald zwei Jahren Ecluse überzeugter denn je.
Das Engagement sicht- und erlebbar machen
Überzeugt sind sie auch davon, ihren Ansatz und ihr Engagement an die Gäste und in die Welt zu tragen. Im Restaurant gehört eine Wand ganz den Lieferantinnen und Lieferanten. Anhand der rosa Punkte auf der Landkarte sehen die Gäste, welche Zutat woher stammt. Die Getränkekarte macht einen Teil der Webtexte in analoger Form zugänglich und gibt einen kurzweiligen Einblick in die Ecluse-Philosophie und den dazugehörigen Kreislauf. Geschichten, die auch das Serviceteam stets mit im Gepäck hat – bei der Begrüssung ebenso wie später bei der Bestellung und im Verlaufe des Essens. Noch tiefer ins Thema geht es an den Circular Wednesdays: Immer am letzten Mittwoch im Monat wird bei einem Zweigangmenü ein Kreislaufaspekt in den Fokus gerückt. Die Kreisläufe gehören im Ecluse zum Inventar.
Beim Ecluse entscheiden Gastronom, Bauer und Metzger gemeinsam, welches Tier zu welchem Zeitpunkt geschlachtet und zugeschnitten wird. Letzteres ganz nach den Wünschen des Restaurants.
«Die ganzheitliche Verwertung der Tiere bestätigt die Bauern in ihrer artgerechten Tierhaltung.»
Die rosa Punkte auf der Wandkarte machen Herkunft und Nähe der Produkte auf einen Blick sichtbar. Die Produzentinnen und Produzenten sitzen damit gewissermassen mit zu Tisch.
«Nose to Tail» nach Ecluse-Art: geschmorter Rindshals mit Sauerkraut und selbst getrockneten Zwetschgen; Schweinebacke auf Seeländer Bramata.
Laura und Sandro Bianchin sind mit ebenso viel Vergnügen wie Engagement bei der Nachhaltigkeitssache und gehen im Ecluse kaum Kompromisse ein.