Fleischkunde
Patric und seine Königinnen
Auf ihren strammen Beinen kommt sie aus dem Stall. Ihrem Besitzer, Patric Dillon, reicht sie gerade mal bis unter die Achsel. Beeindruckend ist weniger ihre Grösse als ihre Masse: Virgina, 6-jährig, ein einziges Muskelpaket, rund 750 Kilogramm schwer, sanft, charakterstark und eine vielversprechende Kämpferin. Sie ist eine von rund 50 Eringerkühen des Gastronomen und Möbelhändlers Patric Dillon.
Dabei begann alles ganz klein und durch Zufall: Seine ersten zwei Eringerkühe erhielt er vor zehn Jahren als Gegenleistung für zwei Betten. «Das war der Startschuss für meine Karriere als Viehzüchter», lacht er. Neben der Schönheit und dem sanften Wesen seiner Tiere fasziniert ihn vor allem ihr Einsatz in der Kampfarena.
Traditionelle Kuhkämpfe
Ursprünglich waren die Eringerkühe eine Zweinutzungsrasse, die sowohl gute Milch als auch Fleisch lieferte. Doch die Nachfrage nach immer leistungsfähigeren Milchkühen führte fast zu ihrem Verschwinden. Überlebt hat die Rasse nur dank des Schaukampfs. Der Instinkt, unter Artgenossinnen um die Rangfolge zu kämpfen, ist bei den Eringerkühen besonders ausgeprägt.
Seit den 1920er-Jahren macht man sich dies zunutze und lässt die Tiere in Schaukämpfen in der Westschweiz, im Wallis und im Aostatal miteinander ringen. «Diese Kämpfe sind spektakulär, aber ungefährlich», erklärt Dillon. «Die Kühe suchen sich ihre Gegnerinnen selbst aus und ziehen sich zurück, sobald sie merken, dass sie verlieren. Die Gewinnerin wird zur Königin ernannt.» Die Zucht von Eringerkühen ist einträglich, aber aufwendig. «Wenn eine Kuh zum ersten Mal in den Ring geht, ist sie etwa dreijährig. Auch hat nicht jedes Tier das Zeug zur Kämpferin und männliche Tiere kommen dafür nicht infrage.» Wie im Stall bei seinen Tieren ist Dillon auch als Gastgeber leidenschaftlich bei der Sache: «Eringer-Fleisch ist eine Delikatesse. Es ist tiefrot, aromatisch und fettarm», schwärmt er. Und man merkt: Genauso stolz wie auf seine Kühe im Ring ist er auf das Fleisch, das seine Tiere liefern.
Aus einem glücklichen Zufall ist für Patric Dillon ein Erfolgsrezept geworden, das Regionalität und Genuss verbindet.
Eringer-Erlebnisgastronomie
Wenn man mit Patric Dillon seine Kühe besucht, bleibt nicht verborgen, wie engagiert er ist. Er ist stolz auf seine vorbildlich sauberen Ställe, seine schönen und gesunden Tiere, deren Leistungen, aber auch auf das Fleisch, das sie geben.
Dieses Fleisch ist der Grund, dass der umtriebige Unternehmer etwa 20 Autominuten von seinen Ställen entfernt, im bernischen Ottenleuebad, die Eringer-Lodge eröffnet hat. In den Sommermonaten leben Dillons Tiere auf den Alpweiden rund um die Lodge. «Da kann unsere Kundschaft die Eringer aus nächster Nähe bestaunen und sieht, wie gut es den Tieren geht, deren Fleisch wir servieren», so Dillon.
Dieser direkte Kontakt sowohl zu seinen Tieren als auch zu ihm garantiere den Gästen Transparenz und bestes Fleisch aus tiergerechter Haltung. Und er als Gastronom habe ein Konzept, das zu reden gibt und Kundschaft anzieht. Die Edelstücke, die in der Eringer-Lodge auf den Teller kommen, stammen von Munis und Kühen.
Das Fleisch älterer Kühe lässt Dillon im Wallis zu Trockenwürsten und -fleisch verarbeiten oder es kommt als Hackfleisch im Eringer-Burger auf den Tisch. Auch als Gastgeber ist Dillon leidenschaftlich bei der Sache. Am Grill steht er meist selbst. Und er lässt es sich nicht nehmen, an jedem Tisch persönlich vorbeizugehen und dabei – ganz nebenbei – auch das Lob für sein Fleisch entgegenzunehmen.