Ausgezeichnet

Wo sich Ente und Rind gute Nacht sagen

Swissrara Enten
Die ersten Enteneier hat Anja Tschannen in einem Schulzimmer an der landwirtschaftlichen Hochschule gebrütet, heute kann sie dafür auf vier eigenhändig angelegte Enten- respektive Gänseparks zurückgreifen. Zu Besuch im freiburgischen Entenhausen.

Das Geschnatter ist gross, als Anja Tschannen die Tür zum ersten ihrer vier Entenparks öffnet. Hier wohnen die schneeweissen Pekingenten, der jüngste Zugang im freiburgischen Entenuniversum. «Eigentlich züchte und halte ich Pommernenten, eine seit 1920 gezüchtete Zweinutzungsrasse. Weil sie aber ein eher tiefes Schlachtgewicht haben, versuche ich mich gerade an einer Kreuzung mit Pekingenten. So hoffe ich, die Robustheit der Pommernente mit etwas mehr Masse kombinieren zu können.» Das nämlich hat der Testlauf bereits gezeigt: Pekingenten sind auf Masthaltung in grossen Hallen gezüchtet und kommen mit den naturnahen Bedingungen in Villaret nicht so gut zurecht wie ihre schwarzgefederten Nachbarinnen. Diese Naturnähe wiederum ist für Tschannen nicht verhandelbar: «Für mich war immer klar: Wenn ich Tiere halte, dann in Freilandhaltung. Alles andere widerspricht meinen Vorstellungen und Werten.»

Wichtige Wertschätzung 

Auf die Teller gelangt das Fleisch ausschliesslich über Direktvermarktung. «Ich habe mich auf alte und seltene Nutztierrassen spezialisiert. Diese haben im Handel gewichtsmässig einen schweren Stand.» Dass Anja Tschannen so immer weiss, mit wem sie es zu tun hat, ist ein willkommener Nebeneffekt. «Genauso wichtig wie mir das gute Leben meiner Tiere ist, sind mir Zusammenarbeiten mit Menschen und Betrieben, die ein Gespür dafür haben und verstehen und wertschätzen, was hinter einem solchen Naturprodukt steht.» 

Familie Tschannen

Eingespieltes Trio: Anja Tschannen mit ihren Eltern Christina und Franz, die sie bei Swissrara tatkräftig unterstützen.

Gastrozusammenarbeiten wie jene mit der Berner Freibank mag sie darum ganz besonders und möchte künftig mehr davon. Dabei setzt sie auf Vorbestellungen, brütet also nicht ins Blaue, sondern entsprechend dem Bedarf der verschiedenen Restaurants.

Swissrara Gericht

Von der Theorie in die Praxis 

Dass der Ort ihrer Kindheit heute ein Entenparadies ist, geht auf Anja Tschannens Agronomie-Studium zurück. Als die Diplomarbeit ansteht, weiss sie: «Ich will etwas machen, worauf ich später einen Hof aufbauen kann. Weil die Zeit für eine solche Arbeit beschränkt ist, haben sich Enten mit ihrer kurzen Brutdauer angeboten.» Die 300 Eier von zwei Züchtern brütet sie an der Schule aus, wo sie zu dieser Zeit auch wohnt, und hat am Ende 150 Enten aus zwei verschiedenen Blutlinien. Mit rund 15 Zuchttieren zieht sie nach erfolgreichem Studienabschluss zurück in ihr Elternhaus und baut sich Schritt für Schritt ihren Landwirtschaftsbetrieb Swissrara auf. «Die Zuchttieranlage mit vier Parks und acht Schwimmgelegenheiten habe ich während drei Jahren in meiner Freizeit gebaut, lange, bevor ich eine eigene Betriebsnummer hatte.» Eine solche besitzt sie nun seit knapp fünf Jahren – und die Pommernentenschar hat inzwischen Gesellschaft von Diepholzer Weidegänsen, Schweizer Hühnern, Evolèner Rindern und Rätischem Grauvieh. Nebenher arbeitet Tschannen in einem 80-Prozent-Pensum als Redaktorin bei der landwirtschaftlichen Fachzeitung «Schweizer Bauer». «Von der Aufteilung in Arbeits- und Freizeit habe ich noch nie viel gehalten. Lieber spreche ich von Lebenszeit. Und diese fülle ich mit möglichst vielen Sachen, die mir Freude machen und mich erfüllen.»

Die Gastrostimme: Freibank Speis & Trank Bern

«In der Schweiz geniesst Wassergeflügel nicht den Stellenwert, den es in Frankreich oder Deutschland hat. Entsprechend schwierig ist es, an gute Produkte zu kommen. Unsere Freude war darum gross, als wir von unserer Poulet-Produzentin auf Anja aufmerksam gemacht wurden. Ihre Enten sind die perfekte Ergänzung für unsere Geflügel-Metzgete, für die Gäste wie für die Küche. Die Gäste freuen sich über Schweizer Entenfleisch aus naturnaher Produktion und die Geschichten und das Gesicht dahinter, die Küche über die Fein- und Eigenheiten seltener Rassen.» 

Adrian Wittwer, Geschäftsführer Freibank