Mirjam Eberles Laufbahn als Köchin ist alles andere als konventionell. Zum Beispiel ihr Karrierestart: Sie ist 34, als sie der Werbebranche den Rücken kehrt und es sie nach Paris verschlägt. Aus reiner Neugier belegt sie einen Basislehrgang an der internationalen Kochschule Le Cordon Bleu.
Quereinsteigerin
Langfristige Pläne hatte Eberle zu diesem Zeitpunkt nicht, dennoch merkt sie schnell: Das ist genau das, was sie will. Aus einem geplanten Kurs werden drei und aus drei Monaten werden zwölf. In dieser Zeit absolviert Mirjam Eberle das Grand Diplôme der klassischen französischen Kochtechniken und macht im Pariser Sternelokal L’Astrance die ersten Erfahrungen in einer Profiküche. Dann zieht sie weiter. Es folgen Praktika in New York und Madrid, ein Pop-up-Projekt in Helsinki und dann – nach drei Jahren – die Rückkehr in die Schweiz. Zurück in den alten Job will Eberle nun definitiv nicht mehr. Schnell macht sie sich in der alternativen Gastroszene in Zürich einen Namen, hilft aus, vernetzt sich und baut ihre eigene Cateringfirma auf. Auf diesem Nährboden ergeben sich Aufträge, Jobs und es entstehen viele Projekte.
Kochworkshop rund ums Schwein
Ein solches Projekt ist ein Kochworkshop. Er trägt den klingenden Namen «Gourmet- Sau» und ist in Zusammenarbeit mit dem Schweinefleischproduzenten Fabio Müller entstanden. Dieser züchtet im Zürcher Weinland eine alte englische Schweinerasse – sogenannte Berkshire-Schweine (Müller nennt seine Tiere in Anlehnung an ihren japanischen Namen Kuro-Schweine). «Wir hatten zu Hause eine Schweinezucht», erzählt Eberle. «Ich bin mit Schweinefleisch aufgewachsen. Aber abgesehen vom Filet im Teig meiner Mama habe ich Schweinefleisch nie als etwas Luxuriöses wahrgenommen. Seit ich Fabio kenne, weiss ich, dass es das sein kann.»
Da Schweinefleisch in Schweizer Haushaltsküchen, aber auch in der Gastronomie immer noch einen schweren Stand hat, beschliessen Eberle und Müller, gemeinsame Sache zu machen. Es geht ihnen darum, zu zeigen, dass man mit Schweinefleisch durchaus lustvoll und unbefangen umgehen kann.
Schweineküche 2.0
«Um einem erstklassigen Produkt gerecht zu werden, muss es so zubereitet sein, dass die Qualität erhalten oder hervorgehoben wird», erklärt Eberle einen ihrer Bildungsaufträge im Workshop. Zudem räumt sie auch mit Vorurteilen auf: «Im Kurs gibt es immer ein Gericht aus rohem Schweinefleisch. Das ist möglich, da ich direkt mit dem Schweinezüchter zusammenarbeite. So weiss ich, dass ich erstklassiges und einwandfrei produziertes Schweinefleisch bekomme. Solches Fleisch lässt sich bedenkenlos roh konsumieren.»
Mit ihren Kursen möchte Eberle auch Berührungsängste nehmen – vor Fett, Schwarte, Knochen und Innereien. Im Workshop stehen darum immer Gerichte wie Zungencarpaccio, Markbein, Schwartenmagen, Grieben und Leberparfait auf dem Programm. Vor allem führt Eberle aber vor, wie bei einem guten Produkt oft die einfachsten Kochtechniken und Rezepturen zum perfekten Resultat führen.
So gilt zum Beispiel für die schön durchzogenen Koteletts der Kuro-Schweine: «Auf beiden Seiten scharf anbraten, einige Minuten im Ofen fertiggaren, etwas Salz, rosa geniessen! Mehr braucht es nicht.»
Die Gourmetsäuli von Oberwil
In Oberwil Dägerlen im Zürcher Weinland setzt sich Fabio Müller für die Bewahrung einer fast 200-jährigen Schweinerasse und ihrer Qualitäten ein.
2017 gelingt Fabio Müller eine kleine Sensation: Seit Jahrzehnten ist er der Erste, der eine neue Schweinerasse in die Schweiz einführen darf. Und so kommen – nach 12 Monaten Quarantäne – die ersten acht Berkshire-Schweine aus England auf die Weiden seines Hofes in Oberwil. Das Besondere an diesen Schweinen ist, dass ihre Rasse in den gut 200 Jahren ihrer Existenz nie mit einer anderen Rasse gekreuzt worden ist. Solche reinen alten Rassen gibt es heute kaum mehr. Müllers Tiere unterscheiden sich somit nicht nur optisch von den gängigen modernen Schweinerassen, auch ihre Ansprüche an Haltung und Futter sind anders – und natürlich ihr Fleisch.
Als alte Rasse sind Berkshire-Schweine bestens an das Leben im Freiland angepasst. Ihre Haut ist schwarz und dick, das schützt vor Sonnenbrand. Fell und eine markante Fettschicht schützen vor Kälte. Der schwarzen Farbe verdanken die Schweine übrigens ihren japanischen Namen «Kurobuta» – das schwarze Schwein. Fabio Müller nennt seine Berkshire-Schweine in Anlehnung daran «Kuro».
Kuros können gut auch Grünfutter verwerten. Sie eignen sich darum ausgezeichnet für die extensive Freilandhaltung, wie sie Müller praktiziert. Im Vergleich zu modernen Rassen geht die Aufzucht der Kuros mehr als doppelt so lange. Und da sie kleiner sind, ergibt ein Tier auch nur halb so viel Fleisch. Das stört Müller aber nicht. Sein Motto: Qualität statt Effizienz. Seine Kuro-Produkte heben sich ab.
Die Schweine haben feinere und kürzere Muskelfasern, das macht ihr Fleisch ausgesprochen zart. Dank einem höheren Anteil an Aminosäuren ist das Fleisch fein aromatisch. Als alte Rasse lagern die Kuros auch mehr Fett ein. Dieses Fett und die extensive Weidehaltung sorgen für eine ausgeprägte Marmorierung. Und so hat das Kuro-Fleisch aus Oberwil alles, was es braucht für echtes Gourmet-Sau-Fleisch.