Fleischkunde

Heu und Bier, das rat ich dir

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Hat das Futter einen Einfluss auf Qualität und Geschmack des Rindfleisches? Und welche Arten von Fütterung gibt es? Die Reportage über den Appenzeller Produzenten Sepp Dähler und sein aussergewöhnliches Konzept gibt spannende Einblicke.

Fleischqualität und Geschmack hängen zusammen, da bist du sicher mit uns einig. Aber wusstest du, dass schon die Fütterung der Tiere eine Rolle spielt? Sepp Dähler aus dem appenzellischen Stein hat dabei eine ganz besondere Philosophie. Und er liefert nebst gutem Fleisch eine Geschichte, die fasziniert.

Appenzeller Bieridee

Bei Sepp Dählers Rindfleisch dreht sich alles um einen regionalen Produktionskreislauf, nachhaltiges Tierfutter und artgerechte Nutztierhaltung. Es begann vor 20 Jahren und heisst heute «Kabier». Unter diesem Namen verkauft Dähler sein eigenes Rindfleisch an Private und an die Gastronomie. Fragt man ihn, wie es dazu kam, antwortet er: «Es war eine Bieridee.» Und das meint er ernst. Denn seine Rinder fressen hauptsächlich Nebenprodukte der Bierproduktion.

Wertvolles Protein

Bier wird auf der Basis von Getreide gebraut. Was zurückbleibt, ist das ausgelaugte Malz, der Treber: ein faser- und proteinreiches Produkt, für das die Brauerei keine Verwendung mehr hat. In der Schweiz wird der Biertreber hauptsächlich in der Viehwirtschaft weiterverwertet. Sepp Dähler bezieht den Treber von der Brauerei Locher in Appenzell, für die er seit 20 Jahren auch Getreide anbaut. «So bleibt alles in der Region und ich bin nicht angewiesen auf Proteinfutter aus Übersee. Und was noch wichtiger ist: Ich verwerte wertvolle Proteine, die der Mensch nicht mehr als Nahrung verwerten kann.»

Ausgeklügelter Fütterungsplan

Für entspannte, gesunde Tiere und eine hervorragende Fleischqualität hat Sepp Dähler mit der landwirtschaftlichen Schule in Flawil einen speziellen Fütterungsplan entwickelt. Neben dem Treber bekommen seine Tiere Heu, Malzspelzen und eine Getreidemischung zum Fressen und neben Wasser noch Bierhefe zum Trinken. Diese ist ebenfalls ein Nebenprodukt aus der Brauerei. Sie liefert natürliche Mineralstoffe und Vitamine. Zweimal täglich wird das Fell von Dählers Tieren zudem mit dieser Bierhefe gebürstet.

Futter allein macht kein Fleisch

Etwas muss Dähler immer wieder klarstellen: «Trotz der ganzen Brauereinebenprodukte: Mein Fleisch schmeckt nicht nach Bier oder sonst irgendwie speziell. Mein Fleisch schmeckt nach Fleisch. Die besondere Fütterung, aber auch die Zuwendung, die unsere Rinder bekommen, sorgen in erster Linie dafür, dass wir gesunde, zutrauliche Tiere haben.» Und wie beeinflusst die spezielle Fütterung nun die Fleischqualität? «Über die verschiedenen Bestandteile des Futters stellen wir sicher, dass alles vorhanden ist, um Muskelfleisch und Fett im richtigen Verhältnis und in der richtigen Beschaffenheit aufzubauen. Das Fleisch, das ich anstrebe, ist dunkelrot und schön marmoriert. Das Fett ist fest und weiss. Das Futter ist dabei aber nur ein Faktor. Für gutes Fleisch muss alles stimmen: Haltung, Rasse und Geschlecht des Tieres, aber auch Schlachtung und Reifung des Fleisches.»

Schmeckt das Fleisch je nach Futter anders?

Geschmackliche Unterschiede sind nur in Extremfällen wahrnehmbar. Dies, wenn man Fleisch von einem Tier, das ausschliesslich mit Gras gefüttert wurde, mit Fleisch aus ausschliesslicher Getreidefütterung direkt vergleicht. Hingegen gibt es je nach Fütterung Unterschiede in der Struktur und der Zusammensetzung des Fleisches: Mehr Gras ergibt ein besseres Omega-6/Omega-3-Verhältnis ohne schädliche Transfettsäuren, mehr Getreide führt zu weisserem Fett.

    Futterarten

    Heu-Raufutter

    Ein Rind kann von Gras alleine leben. Eine Ernährung ohne Gras hingegen ist schädlich. Damit die komplexe Wiederkäuerverdauung auch funktioniert, muss das Futter unbedingt eine gewisse Menge an Rohfasern enthalten. Diese liefern Gras, Heu und Stroh.

    Kraftfutter

    Kraftfutterzusatz bekommt, wer leisten muss: Milchkühe für die Milchbildung, Rinder für den Muskel- bzw. Fleischaufbau. Als Energielieferant enthält Kraftfutter eine hohe Konzentration an Nährstoffen wie Stärke, Kohlenhydrate und Proteine. Das alles findet sich zum Beispiel in Mais, Weizen, Gerste, Hirse oder Sojabohnen.

    Mineralien-Stoffe

    Je mehr ein Tier leisten muss, desto höher ist sein Bedarf an Mineralstoffen. Um Mangelerscheinungen zu verhindern, erhält es Mineralstoffe wie Kalzium, Phosphor und Magnesium.

    Silage

    Gras kann haltbar gemacht werden, indem es fermentiert, also zu Silage wird. Die Funktion als Strukturgeber für die Wiederkäuerverdauung erfüllt es so immer noch. Neben Gras wird auch Mais siliert. Dabei wird die ganze Pflanze – also Grün und Kolben – versäuert. Maissilage ist somit Kraftfutter und Faserlieferant in einem.

    Milch

    In den ersten Lebenswochen ernährt sich ein Kalb nur von Milch. Erst nach ein paar Wochen beginnt es, zusätzlich Heu oder Gras zu fressen. Das durch die Milchfütterung helle Kalbfleisch wird durch das eisenhaltige Heu rosa. Auf die Fleischqualität im Sinne des Genusswertes hat das aber keinerlei Auswirkungen.