Fleischkunde

Swiss made Steak vom Selfmade-man

Michael Vogt
Quereingestiegen, perfektionistisch und leidenschaftlich angefressen – das ist Michael Vogt. Seit drei Jahren hält der Ostschweizer Offsetdrucker eigene Rinder. Das Fleisch seiner Tiere veredelt er zu Steaks, die Filet, Huft und Hohrücken locker in den Schatten stellen. Zu Besuch in seiner etwas anderen Metzgerei am Bodensee.

Steaks – also Kurzbratstücke – sind die Königsklasse der Fleischtheke. Beliebt bei der Kundschaft, einträglich fürs Geschäft. So gesehen ist die Fleischtheke von Michael Vogt eine Schatztruhe. Denn abgesehen von Würsten, Hamburgern, Mostbröckli und Pastrami ist alles hier drin zum Kurzbraten bestimmt. Neben Edelstücken von alten Kühen, deren Rücken Vogt reift und veredelt, stammt der Rest des Fleisches in der Theke von Vogts eigenen Rindern. 17 Tiere leben momentan in seiner Herde, die er auf einem nahegelegenen Bauernhof einquartiert hat. Ungefähr jeden Monat lässt er ein Tier schlachten. Nur mit den Edelstücken dieser Tiere käme Vogt nicht weit. Es entspräche auch gar nicht seiner Philosophie: «Ein Rind hat mehr zu bieten als das Filet.»

Neben seinen Prinzipien hat Michael Vogt auch eine Mission: «Ich will das perfekte Schweizer Steak und will beweisen, dass die Schweiz eine Steak-Nation ist, die mit ihren Produkten international mithalten kann. Darum produziere ich Premium-Steaks, die punkto Geschmack und Qualität dem Fleisch aus Übersee in nichts nachstehen, aber aus nachhaltiger und tierfreundlicher Haltung kommen.» Für Fleischqualität, wie Vogt sie sucht, muss alles stimmen.

Michael und Michaela Vogt

Michael und Michaela Vogt.

«Ich gebe so wenig wie möglich aus der Hand. Angefangen beim Tier, seiner Haltung, beim Futter bis hin zum Schlachttag.» Vogt hält eigene Tiere. Diese fressen ausschliesslich Gras und Heu und werden fast dreijährig, bis sie schliesslich auf dem Hof getötet und in einer nahen Schlachterei abgeviertelt werden. In seiner eigenen Metzgerei zerlegt Vogt die Rinderviertel dann eigenhändig nach seinen Vorstellungen. Denn was er will, können nicht viele: «Ich arbeite vor allem mit Special Cuts. Die meisten dieser Zuschnitte sind im Wurst- und Filetland Schweiz nicht geläufig. Doch sie machen es mir möglich, rund 50% vom Schlachtkörper als Kurzbratstücke zu verwenden. Was übrig bleibt, verarbeite ich zu reinen Rindswürsten, Mostbröckli, Hamburgern oder Fleischkäse.»

Michael Vogt

Rund 25 verschiedene Special Cuts hat Vogt im Angebot. Das Wissen um das Zuschneiden, aber auch das Reifen dieser Stücke hat sich der Quereinsteiger selber angeeignet. Denn eigentlich ist Vogt Offsetdrucker. Seine Druckerei befindet sich gleich neben der Metzgerei. «Mein Wissen rund ums Fleisch habe ich vor allem aus Büchern und von meiner Ausbildung zum Fleischsommelier. Zudem war ich zwei Jahre lang einmal pro Woche in der Metzgerei eines Freundes und habe das Zuschneiden von Tieren gelernt. Der Rest ist Lernen aus Erfahrung.» All das sorgt in der Fleischbranche natürlich immer wieder für schräge Blicke, berichtet Vogt weiter. Doch er weiss mittlerweile, dass gerade sein unkonventioneller Zugang seine Stärke ist. Recht geben ihm spätestes seine Produkte. Für diese steht jeweils samstags Kundschaft aus der ganzen Deutschschweiz Schlange. Der Ruf von Vogts Fleisch ist auch bis in Gastro-Kreise vorgedrungen. So beliefert die Hinterhofmetzgerei das Steak-Restaurant Misnik in St. Gallen oder Sven Wassmers Memories in Bad Ragaz. «Diese Aufträge waren für mich der Ritterschlag», erzählt Vogt. «Ich weiss nun definitiv, dass ich meine Sache gut mache.»

Lang lebe die Kuh

Neben erstklassigen Steaks vom Rind hat Michael Vogt noch eine weitere Passion: Er veredelt Fleisch von alten Kühen zu einer wahren Delikatesse.

Für die Frischfleischproduktion werden nur Jungtiere verwendet. Bei Schlachtreife sind die meisten Rinder zwischen zwei- und dreijährig.

Milch-/Zuchtkuh

Haben Milch- und Zuchtkühe ausgedient, werden sie geschlachtet. Im Schnitt sind diese Tiere fünf- bis sechsjährig. Ihr Fleisch wird meist zu Hackfleisch und Mostbröckli verarbeitet.

Rind Jungtier

Für seine Mission «perfektes Schweizer Steak» hat Michael Vogt verschiedene Anforderungen. Es geht ihm darum, so artgerecht und umweltschonend wie möglich Fleisch zu produzieren. Aber auch der Genuss ist ein Treiber. «Geschmack ist für mich das wichtigste Qualitätsmerkmal bei Fleisch», erklärt Vogt. Auf seiner Suche nach dem perfekten Geschmackserlebnis ist Vogt schnell einmal beim Fleisch älterer Tiere gelandet. Denn je älter ein Tier, desto intensiver wird das Fleischaroma. Das hat vor allem mit dem im Alter zunehmenden intramuskulären Fettgehalt zu tun.

In der Schweiz werden Rinder, die für die Fleischproduktion gehalten werden, selten älter als zwei Jahre. Vogt lässt seine Rinder bewusst etwas länger leben, doch alt werden auch sie nicht. «Spricht man von alten Tieren, meint man Kühe, die fünfjährig oder älter sind. In der Schweiz sind das Milch- oder Zuchtkühe.» Das älteste Tier, dessen Rücken Vogt verarbeitet hat, war 17-jährig. Doch längst nicht jeder Kuhrücken kann zur knochengereiften Delikatesse veredelt werden: «Von 100 Tieren haben nur etwa 2 die Qualität, die ich als perfekt erachte», so Vogt. Da sich diese Qualität nicht am lebenden Tier beurteilen lässt, kauft er handverlesene Kuhrücken aus der Ostschweiz oder dem Wallis zu. Diese reift er am Stück im Dry-aged-Verfahren oder in Buttereingepackt. Nach etwa 40 Tagen Reifung riechen die Steaks nur schon im rohen Zustand wunderbar nussig.

Oft trifft Vogt auf das Vorurteil, Kuhfleisch sei zäh und minderwertig. «‹Militäressen› witzeln viele meiner Bekannten», meint er. Doch richtig gereift sind die Edelstücke von einer Kuh alles andere als zäh. «Kuhfleisch hat immer einen gewissen Biss, eine andere Textur, als man sich das in der Schweiz gewohnt ist.» Vogt weiss mittlerweile, dass die meisten Leute an solche Stücke herangeführt werden müssen, um sie zu schätzen. In seinen Tavolatas leitet er seine Gäste darum an, das Fleisch ausgiebig zu kauen, es nicht einfach zu verschlingen. «Erst dann entwickeln sich die Aromen, erst dann realisieren die meisten: Das ist wahrer, unverfälschter Fleischgeschmack – und sie wollen mehr!»

45 Tiere leben im Schnitt auf einem Rindermastbetrieb.

Die meisten Höfe in der Schweiz sind Familienbetriebe. So auch jener von Familie Meister in unserem Porträt.