Das Grundprinzip beim Fermentieren ist einfach: Mikroorganismen wie Pilze, Bakterien und Hefen verändern Zucker, Stärke, Eiweisse und Fett in Lebensmitteln. Dabei produzieren sie Stoffe, die Geschmack, Struktur, aber auch die Haltbarkeit eines Produktes positiv beeinflussen. «In unseren Breitengraden fermentiert man meist mithilfe von Milchsäurebakterien. So entstehen Sauerkraut, Salami, Käse oder Joghurt», erklärt Matteo Leoni, Inhaber der Fermentationsmanufaktur pureTaste. Er selber greift momentan am liebsten zu einer anderen Art der Fermentation. Der Hauptakteur dabei: der Koji-Pilz Aspergillus oryzae – ein Edelpilz, der in Japan seit Jahrtausenden zum Fermentieren verwendet wird. «Miso und Sake sind die berühmtesten Produkte, die durch die Koji-Fermentation entstehen. Doch es gibt fast nichts, was ich nicht mit Koji fermentieren würde.»
Das ist Koji
Um an Koji zu gelangen, gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder man kauft fertigen Koji-Reis oder Koji-Pulver oder aber man zieht den Pilz wie Matteo Leoni selber. Um Koji herzustellen, impft er gekochten Reis mit Aspergillus-oryzae-Sporen. Diese bekommt man in Japangeschäften oder im Internet. Den geimpften Reis lässt Leoni 48 Stunden bei 30 bis 35 °C liegen. Der Pilz ernährt sich vom Reis und wächst. Bald schon ist jedes Reiskorn mit einem von blossem Auge kaum sichtbaren weissen Flaum überzogen. Während seines Wachstums produziert der Koji-Pilz Enzyme. Diese schliesslich sind für den Fermentationsprozess verantwortlich, wenn man später Produkte mit dem Koji behandelt – sprich: fermentiert. Getrocknet ist der Koji-Reis und somit der Koji gut haltbar.
Der Koji-Pilz wächst auf Getreide – am liebsten auf Reis. Um den Pilz für die Fermentation einzusetzen, werden die Reiskörner als Ganzes verarbeitet.
Die Koji-Marinade (Shio-Koji) wird im Verhältnis 1:10 auf das Fleisch aufgetragen.
Je nach Fleisch variiert die Einwirkzeit. Das Federstück vom Rind liegt gekühlt gut 24 Stunden in der Marinade.
Zart dank Koji – fermentiert man Fleisch mit Koji, wird aus einem Siedstück ein zartes Kurzbratstück.
Zart und umami dank Koji
An einem Federstück vom Rind demonstriert Leoni nun, wie Koji auch in der Fleischküche eingesetzt werden kann. Dafür verarbeitet er Koji-Reis mit Wasser und Salz zu einer milchigen Marinade (siehe Infobox). «In Japan nennt man diese Flüssigkeit Shio-Koji. Wenn ich Fleisch mit dieser Marinade fermentiere, geht es mir um Geschmack und Struktur. Geschmacklich wird das Fleisch leicht salzig und vor allem unglaublich würzig. Zudem machen die enzymatischen Prozesse, die der Koji in Gang setzt, das Federstück so zart, dass ich es am Schluss wie ein Edelstück kurzbraten kann. Das ist wie eine Art beschleunigtes Dry Aging.» Und genüsslich kauend fügt Leoni an: «Ich staune immer wieder über die Wunder, die der Koji-Pilz vollbringt.»
Matteo Leoni
Der Basler Koch mit italienischen Wurzeln widmet sich seit 2017 ausschliesslich dem Fermentieren. In seiner Manufaktur pureTaste verarbeitet er von Gemüse und Früchten bis hin zu Brot und Fleisch vor allem Ausschusslebensmittel. Sein neustes Koji-Produkt ist ein «Garum» – eine dunkle Würzsauce auf Fleischbasis.
Koji im Einsatz
Um Koji für weitere Fermentationsprozesse oder als Geschmacksgeber zu verwenden, wird der Pilz mitsamt den Reiskörnern verarbeitet. Für die Fleischmarinade Shio-Koji püriert Leoni zu gleichen Teilen Wasser und Koji-Reis mit 5% Salz. Diese dickflüssige Koji-Marinade ist gut im Kühlschrank haltbar und kann nun pur als Salatdressing oder zum weiteren Fermentieren von Gemüse, Getreide oder eben Fleisch verwendet werden.
Nach dem gleichen Prinzip kann man Koji-Reis mit einem neutralen Öl pürieren, das Ganze ziehen lassen, abseihen und man hat aromatisiertes Koji-Öl, zum Beispiel als Geschmacks-Booster für jede Mayonnaise. Eine weitere Möglichkeit, Koji mit Fleisch zu kombinieren, ist eine Panade. Auch dabei ist man am Geschmack interessiert, den der Koji-Reis mit sich bringt. Für die Herstellung einer Koji-Panade, den Koji-Reis mahlen und das Fleisch vor dem Panieren mit dem entstandenen Koji-Mehl bestäuben.