Patrick Zbinden ist Sensoriker, sein Geschäft der Geschmack. Seit 20 Jahren forscht, publiziert und berät Zbinden im Bereich der Lebensmittel-Sensorik. Das macht ihn zum Fachmann für unser Thema. Denn reden wir von umami, geht es um Geschmack. Um eine Sinneswahrnehmung, die so alt ist wie die Menschheit, die aber erst seit etwa 20 Jahren richtig von sich reden macht.
Aber nun zur Sache: Was also ist umami? «Es ist neben salzig, süss, sauer und bitter ein fünfter Geschmack, den wir über unsere Geschmacksknospen im Mund oder Gaumen wahrnehmen», so Zbinden. «Lange glaubte man, dass die menschliche Zunge vier Geschmacksrichtungen wahrnehmen kann. Seit 2002 ist erwiesen, dass wir auf unserer Zunge auch Sinneszellen für einen fünften Geschmack haben – umami eben.»
Will man umami beschreiben, kann man den japanischen Namen übersetzen. Dieser bedeutet so viel wie «schmackhaft» oder «vollmundig». Es gibt Leute, die beschreiben umami als rundes Gefühl im Mund oder – etwas umständlicher – als das, was macht, dass man mehr von einem Gericht will. Diese vagen Beschreibungen haben auch damit zu tun, dass umami so gut wie nie isoliert zu schmecken ist. Um den Geschmack so pur wie möglich zu erleben, können wir uns ungewürzte Hefeflocken auf die Zunge legen und uns dabei die Nase zuhalten. «Was dann im Mund passiert, ist umami pur», so Zbinden.
Umami schmeckt allen
Da bereits Muttermilch umami schmeckt, werden wir schon früh auf diesen positiv besetzten Geschmack getrimmt. Denn mit umami verhält es sich wie mit den übrigen Geschmäckern: Sie helfen uns dabei, instinktiv zu entscheiden, ob wir etwas essen sollen oder nicht. Zbinden erklärt: «Auf Süsses fahren wir alle ab, und das macht Sinn, denn süss ist ein Hinweis auf lebenswichtige Kohlenhydrate. Bitter und sauer hingegen werden uns schnell einmal zu viel. Auch das macht Sinn: Ist etwas bitter, könnte es giftig sein, ist etwas sauer, ist es oft noch unreif. Bei umami hingegen weiss unser Gehirn, dass wir eiweisshaltige bzw. proteinhaltige Lebensmittel im Mund haben, und die sind für den menschlichen Organismus unentbehrlich.»
Kocht man Ossobucco, strebt man unbewusst nach so viel umami wie möglich. Einerseits durch Zutaten, andererseits durch die Zubereitungstechnik.
So entsteht umami
Wollen wir verstehen, wie umami entsteht, geht das nicht ohne Chemie. Die Voraussetzung für den fünften Geschmack sind proteinhaltige Lebensmittel. Und sobald Proteine in ihre kleinsten Bausteine – die Aminosäuren – zerlegt werden, entsteht freie Glutaminsäure. Sie ist es, die für den Umami-Effekt verantwortlich ist. Spannend ist nun, dass wir dieses Zerlegen der Proteine selber steuern können. Und seit wir Lebensmittel verarbeiten, tun wir dies auch: Beim Kochen, Fermentieren, Reifen und Trocknen proteinreicher Nahrungsmittel setzen wir die Zerlegung von Proteinen in Gang und produzieren so umami.
Patrick Zbindens Umami-Specials
Sein Wissen rund um Geschmack und umami setzt Geniesser und Hobby-Koch Zbinden natürlich auch in seiner eigenen Küche ein. Uns verrät er an dieser Stelle drei persönliche Umami-Tricks.
Pilzsalz
Pilze sind umami pur. Ihre geschmackliche Wucht entfalten sie jedoch erst, wenn man sie trocknet oder kocht. Patrick Zbinden hat immer ein Glas mit Pilzsalz auf Vorrat. «Damit kann man, ohne dass das Pilzaroma in den Vordergrund tritt, allem Möglichen einen Umami-Boost verpassen.» Pilzsalz ist schnell gemacht: Zermahlen Sie einfach 20 g Trockenpilze und 250 g grobes Meersalz im Cutter.
Sauerkraut-Crisps
Als fermentiertes Lebensmittel ist Sauerkraut umami. Das mag erstaunen. Doch ignoriert man sauer und salzig, schmeckt man tatsächlich auch umami heraus. Patrick Zbinden konzentriert den Umami-Geschmack im Sauerkraut, indem er es trocknet: «Die Sauerkraut-Crisps lassen sich schliesslich als Textur- und Geschmacksgeber oder zermahlen als potentes Umami-Würzpulver verwenden.»
Umami Paniermehl
Durch Garen oder Trocknen entfaltet Fleisch sehr viel umami. Kurzbraten reicht allerdings noch nicht aus, um wirklich viel Umami-Geschmack aus einem Plätzli zu holen. Dafür greift Patrick Zbinden zu Panaden. In diese mischt er nach Belieben zerkleinerte Umami-Zutaten wie Röstzwiebeln, Trockenfleisch, Hartkäse, Nüsse oder getrocknete Tomaten.
Umami im Alltag
In seinen Food-Design-Workshops vermittelt Patrick Zbinden, dass umami nichts Exotisches ist und es in vielen Produkten ganz natürlich vorkommt – auch in ganz alltäglichen.
Käse
Reife Hart- und Halbhartkäse, aber auch Blauschimmelkäse schmecken intensiv umami. Eines der Lebensmittel mit der höchsten Konzentration an freier Glutaminsäure – also eine Umami-Bombe – ist Parmesan.
Tomaten
Unübertroffen umami schmecken Tomaten. Bereits eine reife Cherry-Tomate schmeckt umami, getrocknet und konzentriert vervielfacht sich der Geschmack. Kein Wunder, sind Tomaten in allen Küchen rund um die Welt zu finden!
Nüsse
Egal, ob roh, geröstet, gehackt oder als Öl: Nüsse und Samen aller Art sind eine Umami-Quelle, die sich gut in der traditionellen Küche einsetzen lässt. Zum Beispiel fein gehackt in Krusten und Panaden.
Sojasauce
Das Fermentationsprodukt Sojasauce ist – neben salzig – umami pur. Zbinden empfiehlt dunkle Sojasauce für das Schmoren und das Marinieren von rotem Fleisch, helle Sojasauce zu hellem Fleisch und Fisch.
Grüntee
Geschmacklich ist Grüntee primär bitter – dennoch schmeckt er auch umami. Matcha-Pulver ist Zbindens Umami-Tipp für Desserts. Aber auch Fleisch lässt sich gut damit veredeln. Zum Beispiel, indem man es in Grüntee mariniert.
Fisch
Produkte aus fermentiertem oder getrocknetem Fisch sind immer umami und es gibt sie überall. Ein Beispiel ist die sardische Bottarga – gepresste und getrocknete Eier der Meeräsche. Fein gehobelt, verleiht sie jeder Pasta den Umami-Kick.