Woher stammt es wohl, das Kotelett, das gerade auf unserem Grill brutzelt? Aus der Schweiz, das ist klar – und vielleicht hat einer der Vorfahren unseres Schweins auf dem Hof von Claudia Schwizer gelebt. Hier in Walenstadt befindet sich einer von rund 30 Schweizer Kernzuchtbetrieben, wo jene Tiere gezüchtet werden, deren Nachkommen in die Schweizer Schweinemast kommen. Ein ausgeklügeltes, komplexes und weltweit einzigartiges System, bei dem auf jeder Stufe Fleischqualität und Tierwohl an oberster Stelle stehen.
Schweinebauer ≠ Schweinebauer – die Schweizer Zuchtpyramide
Was viele nicht wissen: In der Schweiz gibt es nicht einfach die Schweinemast. Hierzulande arbeiten Landwirte, Züchter und Wissenschaftler auf drei verschiedenen Stufen daran, bestes Fleisch zu besten Bedingungen zu produzieren: die Kernzuchtbetriebe, die Mastferkelproduzenten und die Mäster.
Kernzuchtbetriebe arbeiten mit der Mutterlinie des Schweizer Edelschweins und der Schweizer Landrasse. Sie züchten Muttertiere und Eber für die Zucht und für die Mastferkelproduktion. Die Mastferkelproduzenten sind anschliessend das Bindeglied zwischen der Zucht und der Mast. Auf dieser Stufe werden die weiblichen Tiere mit Premo-Ebern aus der Edelschwein-Vaterlinie oder anderen Fleischrassen wie Duroc und Piétrain gedeckt, sodass Ferkel für die Mast entstehen. Und in den Mastbetrieben werden diese dann für den Fleischmarkt gemästet.
Mit Schweinen gegen Food Waste.
Schweine sind wichtige Verwerter von Nebenprodukten aus der Lebensmittelverarbeitung. Sie leisten damit einen Beitrag gegen Food Waste.
Othmars Erbe
Claudia Schwizer und Florian Steiner züchten auf ihrem Kernzuchtbetrieb in Walenstadt Schweizer Edelschweine der Mutter- und der Vaterlinie. Dass Claudia Schwizer heute einen Kernzuchtbetrieb leitet, verdankt sie unter anderem dem aussergewöhnlichen Einsatz von Florian Steiner: «Heute habe ich wieder Freude an der Arbeit auf dem Hof. Als mein Mann Othmar vor vier Jahren gestorben ist, habe ich zuerst gedacht, dass ich das alles niemals schaffen würde. Aber zusammen mit Florian haben wir es geschafft.» Der 27-jährige Landwirt hat 2011 auf dem Hof der Schwizers angefangen und konnte gut drei Jahre lang von Othmar Schwizer lernen und von seinem Wissen profitieren: «Othmar war einer der Pioniere auf seinem Gebiet und hat die Entwicklung in der Schweizer Schweinezucht stark vorangetrieben. Er hat sich vor allem auch für eine Umstrukturierung eingesetzt. Früher züchtete jeder ein bisschen für sich selbst. Später hat man alles zusammengelegt, einen Gesundheitsdienst gegründet und so verschiedene ansteckende Krankheiten ausgerottet. Im Ausland gibt’s einige dieser Krankheiten noch, in der Schweiz nicht mehr.»
Ein eingespieltes Team: Claudia Schwizer und Florian Steiner.
Auf der Suche nach dem perfekten Fleisch
«In der Schweizer Schweinezucht arbeiten heute viele Menschen Hand in Hand, mit dem Ziel, bestes Fleisch von gesunden Tieren herzustellen», erklärt Florian Steiner. «Einerseits züchten wir Tiere, die kräftige und robuste Ferkel zur Welt bringen, die gegen einige wichtige Krankheiten resistent sind. Andererseits steht natürlich die Fleischqualität im Vordergrund. Wir achten auf viele unterschiedliche Faktoren, auf einen perfekten Anteil von intramuskulärem Fett, viele gute Fettsäuren, eine optimale Konsistenz und auch darauf, dass sich bei der Zubereitung möglichst wenig Tropfsaft bildet. Dank einer gezielten Selektion konnten wir uns in den letzten Jahren stark verbessern.» Die Qualität des Fleisches wird regelmässig wissenschaftlich analysiert – pro Wurf gibt Steiner ein männliches und ein weibliches Ferkel an die SUISAG in Sempach, wo sie unter standardisierten Bedingungen aufgezogen werden. Nach der Schlachtung prüfen Forscher das Fleisch und das Fett auf verschiedene Qualitätsmerkmale hin.
Dieses einzigartige Zuchtsystem sorgt dafür, dass es in der Schweiz das wohl beste Schweinefleisch der Welt gibt – denn nirgendwo sonst wird mit einem derartigen Fokus auf Qualität statt Masse gezüchtet. Das wirkt sich natürlich auch auf das Wohl der Tiere aus: «So ist zum Beispiel in der Schweiz die Zahl der Tiere, die in einem Betrieb gehalten werden können, strikt beschränkt.
In unserem Betrieb haben wir weniger Keime als in einem Spital. Wir haben eine sehr gesunde Herde, müssen praktisch nicht impfen und haben einen sehr geringen Antibiotikaverbrauch.
Ein Zuchtbetrieb darf höchstens 250 Muttertiere haben, ein Mastbetrieb höchstens 1500 Tiere. In anderen europäischen Ländern gibt es dazu keine Regelung. Ausserdem ist bei uns klar geregelt, wie viel Platz jedes Tier haben muss», erklärt Steiner. Seine Tiere haben Schlafplätze, die mit Stroh ausgelegt sind, regelmässig Auslauf und Beschäftigungsmöglichkeiten. Auf Medikamente kann der junge Bauer weitgehend verzichten: «In unserem Betrieb haben wir weniger Keime als in einem Spital. Wir haben eine sehr gesunde Herde, müssen praktisch nicht impfen und haben einen sehr geringen Antibiotikaverbrauch», erklärt er stolz. Das alles hat natürlich auch seinen Preis: «Die Produktionskosten liegen in der Schweiz bei CHF 4.20 pro Kilo Schlachtgewicht. In Europa hingegen bei CHF 1.75.»
Und was passiert in Zukunft? «Ich mag meinen Job und denke, dass ich auch in 40 Jahren noch Schweine züchten werde. Mein Ziel ist es, immer besser zu werden – und solange die Nachfrage nach gutem Fleisch da ist, werden wir auch weiter produzieren.»
Edelschwein und Co.
Schweinefleisch ist des Schweizers liebstes Fleisch. Über 21 Kilo pro Person geniessen wir im Jahr (Stand 2021). Dabei stammt ein Grossteil der Tiere aus der Edelschwein- und Landrassezucht. Diese und weitere Mastrassen, die hierzulande gehalten werden, siehst du hier im Überblick.
Edelschwein-Vaterlinie
Die Schweine bringen Topleistungen in allen Bereichen: herausragende Fleisch- und Fettqualität, einen optimalen Anteil an intramuskulärem Fett und einen geringen Tropfsaftverlust.
Piétrain
Diese Rasse stammt ursprünglich aus Belgien, genauer aus Brabant. Die bunten – also schwarz-weiss gescheckten Schweine – zeichnen sich aus durch einen hohen Magerfleischanteil.
Duroc
Die rotbraunen Duroc-Schweine stammen ursprünglich aus den USA und kamen über Dänemark in die Schweiz. Sie haben eine gute Fleischqualität und schön marmoriertes Fleisch.
Hampshire
Das ursprünglich aus England stammende Schwein ist schwarz und hat einen weissen Sattel im Schulterbereich. Die aktiven und neugierigen Tiere sind heute in der Schweiz eher selten, liefern aber qualitativ gutes Fleisch.
Turopoljie
Eine sehr rare Urrasse, die in den 90ern fast ausgestorben wäre. Die gefleckten Schweine mit Hängeohren haben zartes Fleisch mit einer dicken Fettschicht, das als Gourmet-Geheimtipp gehandelt wird.
Wollschwein
Dank ihrer Geländetauglichkeit und dem dichten Borstenkleid sind Wollschweine gute Freilandschweine. Sie haben eine sehr dicke Fettschicht, weshalb man sie auch Speckschweine nennt. Ihr Fleisch ist fein marmoriert und hat einen geringen Saftverlust.